Archivkörper

Produktinformationen "Archivkörper"
Wie wurden Archive zu Orten der mittelbaren Begegnung mit der Vergangenheit? Und wie wird aus Vergangenheit Geschichte? Die kulturhistorische Studie von Mario Wimmer untersucht das Aufeinandertreffen von bürokratischer Rationalität und historischer Einbildungskraft um die Wende zum 20. Jahrhundert. Alles beginnt mit einem außergewöhnlichen Vorfall, der gleichwohl ins Herz der historischen Einbildungskraft im Archiv führt: Ein theorieinteressierter Archivar trifft auf einen gewöhnlichen Historiker, der tausende von Dokumenten aus den Staatsarchiven in Wien, Berlin und München entwendet hat. Nach seiner Verhaftung gesteht er, seine Sammelwut wäre von nekrophiler Leidenschaft und Handschriftenfetischismus angetrieben. Aus einer merkwürdigen Episode der Archivgeschichte wird so ein handfester Skandal, der großes öffentliches Aufsehen im Berlin und Wien der Zwischenkriegszeit erregte. Mario Wimmer beschreibt ausgehend von diesem Fall die unbewussten Voraussetzungen der Obsession für Gewesenes und die Schattenseiten historischen Wissens. Archive sind nicht nur faszinierende Orte, in ihnen verkörpert sich buchstäblich die Geschichte. Das Buch gibt Einblicke in die Verwaltung von Vergangenheit und zeichnet die Entstehung der wissenschaftlichen Vorstellung von Archivkörpern nach. Diese Papierorganismen verdanken ihre materielle Gestalt den Aktenmassen moderner Verwaltungspraktiken, in ihnen treffen bürokratische Rationalität und historische Einbildungskraft aufeinander. Archivkörper eröffnet eine neue Perspektive auf das historische Denken der Moderne und ist zugleich eine Analyse der Objektverhältnisse der Geschichtswissenschaft. Was der Leser schließlich in Händen hält, ist ein Lehrstück über den Charakter und die Grenzen historischen Wissens und die verborgene Welt der Archive.